Es klingt schon ziemlich abwegig, aber es gibt Menschen, die essen Dreck, um ihren „Magen zu reinigen“. Und vereinzelte Studien geben ihnen sogar bei dieser ungewöhnlichen Maßnahme recht.
Dreck essen: Die Vorgeschichte
Es ist noch gar nicht so lange her, da saß der Mensch nicht nach Feierabend auf der Couch und öffnete mit einem befriedigenden Rascheln seine Chipstüte, während die Champions League im Fernsehen lief. Die genormten Chips, die von einem Dutzend Gesundheitsministerien geprüft werden mussten, um auf dem Markt zugelassen zu werden, gab es früher noch nicht. Auch Obst in vakuumverpackten Dosen, bereits geschnittenen, siebenmal gewaschenen und fertig verpackten Salat ebenfalls nicht.
Obst und Gemüse waren zu der Zeit sehr viel mehr mit Keimen belastet, und – so behaupten zumindest viele – deshalb sogar gesünder als heute. Dreckige, keimbelastete Lebensmittel und Gesundheit – wie passt das zusammen?
Doch gehen wir einfach noch weiter zurück und versetzen uns in die Lage unserer Jäger- und Sammler-Vorfahren: Diese haben ihre Lebensmittel vor dem Verzehr noch nicht einmal gereinigt oder abgespült, geschweige den irgendeine Art von Keimfreiheit erzielt.
Irgendwie haben sich unsere Vorfahren trotzdem entwickelt. Die einen sagen jetzt: Gut, aber dafür sind sie nicht so alt geworden wie wir heute. Die anderen erwidern: Nicht ohne Grund hält man die Ernährung unserer Vorfahren für gesünder und kehrt zum Beispiel durch Paleo heute zu einer solchen Ernährung wieder zurück.
Wer liegt mit seinem Argument richtig?
Köstlicher Dreck, oder auch: Pica
Es gibt auch heute noch Bevölkerungsgruppen die öfter mal Dreck essen. Der Verzehr von Kreide, Steinen, Sand und Erde wird in dem Zusammenhang als „Pica“ bezeichnet. In Madagaskar beobachteten Forscher 2009 eine solche Gruppe und fand heraus, dass zwischen 50% und 63% der Menschen dieser Gruppe auf Pica setzten. Oftmals wird der Dreck sogar speziell zusammengemischt, um ihn dann den Kindern und selbst Schwangeren zu geben (Studie).

Heute wird davon ausgegangen, dass Dreck tatsächlich eine gesundheitsförderliche Wirkung haben kann. Die Mischung aus Erde, Sand und Co. enthält vor allem Keime, die als nicht-pathogen gelten. Zumindest reichen die Mengen an Bakterien im Dreck nicht aus, um eine Krankheit bei einem gesunden Menschen hervorzurufen (Studie).
Gleichzeitig sorgen die Bakterien jedoch für eine gesunde Darmflora: Die Verdauung wird verbessert, das Milieu schützt vor tatsächlichen Krankheitserregern und es finden sich sogar Mikronährstoffe im Dreck, wie etwa Eisen, Zink oder Calcium.
Eine andere Studie belegt, dass es vor allem die gesundheitsprotektive Wirkung ist, die Pica (hier Geophagy genannt) rechtfertigt:
Our results indicate that human geophagy is best explained as providing protection from dietary chemicals, parasites, and pathogens
Sollten wir jetzt alle Dreck essen?
Trotzdem würde ich niemandem dazu raten, von nun an täglich eine Hand voll Sand vom Sandkasten des Kindergartenspielplatzes in der Nachbarschaft einzuschmeißen.
Jedoch geben die Ergebnisse der zuvor angesprochenen Forscher doch Anlass dazu über den Reinheitsgrad unserer Lebensmittel zu diskutieren:
Ist es wirklich notwendig Salat und Gurken mehrmals zu waschen? Vielleicht ja, wenn es um die Lebensmittel aus dem Supermarkt, die mit Herbiziden, Fungiziden und anderen Mitteln behandelt worden sind, geht.
Doch wie sinnvoll ist es organische Lebensmittel vom Bauern um die Ecke oder aus dem eigenen Garten penibel zu waschen?
Unser Verdauungssystem scheint nicht nur robuster zu sein als viele es vermuten. Es kann offenbar sogar von ein bisschen Dreck profitieren.
Entgegen der Idee, dass weniger Keime immer besser für uns sind, sollten wir es also mit dem Reinheitsfimmel nicht so eng sehen.
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